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Wenn man meinen Großvater begrüßt hat, noch bevor die Kaffeetassen und die vergoldeten Kuchengabeln aus dem Schrank geholt werden, gibt es eine Runde Politik, das ist so was wie ein Zeremoniell und so sicher wie das Amen in der Kirche. Wir setzen uns in die immer warme Küche, die im Winter durch einen uralten, riesigen gusseisernen Herd manchmal auf Saunatemperaturen geheizt wird, und sobald wir fragen „Und – wie geht es Dir?“ kommt er nach über einen kurzen Abriss seines Gesundheitszustandes immer sehr schnell auf die Mittagsnachrichten, so als sei er selber im Vergleich mit dem Schicksal unserer Republik unerheblich.
Er lässt schon seit langer Zeit kein gutes Haar mehr an der Wirtschaft, deren bessere Zeiten er aktiv miterlebt hat, und am Ende seiner düsteren Vorhersagen schüttelt er oft verständnislos seinen Kopf und sagt „Ich weiß auch nicht, wohin das noch führen soll“, und an besonders düsteren Tagen „Ich bin froh, dass ich das nicht mehr miterleben werde“.
Dann streicht er sich mit seiner Hand langsam durch das schütter gewordene Haar, das ihm in wenigen, recht langen Strähnen sorgfältig über den Hinterkopf gekämmt ist und seufzt. Und die Diskussion, die eigentlich ein Monolog ist, ist erst einmal beendet. „Wollen wir Kaffee trinken?“, fragt er dann, als sei ihm das gerade in den Sinn gekommen, dabei machen wir das seit Jahr und Tag ganz genau so.